Begabtenförderung an der OSW

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Das Thema „Hochbegabung“ an der OSW

„Jedes Kind ist hochbegabt“, behauptet der Neurobiologe Gerald Hüther in seinem 2012 erschienen Buch und stellt den Beweis an, dass jedes Individuum durch die Fähigkeiten seines Gehirns in der Lage ist, intellektuelle, emotionale, künstlerische und manuelle Höchstleistungen zu initiieren, wenn es wirklich gefordert und unterstützt wird. Die Kapazitäten des Gehirns sind laut Hüther größer als die Möglichkeiten des Menschen, sie auch zu nutzen.

Hochbegabung ist also kein Alleinstellungsmerkmal von Menschen mit einem Intelligenzquotienten von über 130, sondern Grundausstattung eines jeden Individuums. Entscheidend aber ist der Einsatz der Möglichkeiten, die das Hirn bietet und ebenso der Zeitpunkt, denn es ist auch erwiesen, dass das Gehirn in bestimmten Lebensjahren leistungsfähiger ist als in anderen. Grundsätzlich gilt: Je früher die Förderung beginnt, umso mehr profitiert der Mensch davon.

Diese Erkenntnisse nutzbar für die Schule zu machen ist ein wesentlicher Grundsatz im Konzept der Offenen Schule Waldau. Eine wichtige Bedeutung wird dabei auch einer angstfreien und wertschätzenden Lernumgebung und der Zuwendung aller am Erziehungsprozess Beteiligter zugemessen. Jedes Kind „will dazugehören“ und „will wachsen“ (Hüther). Diesen fundamentalen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, ist Ziel unserer Bemühungen.

Besondere Begabung

Wir sprechen nicht von Hochbegabung, sondern von Besonderer Begabung und meinen damit die spezielle Ausprägung, die ein Kind oder ein Jugendlicher hat. Diese kann sich auf die intellektuellen Fähigkeiten eines Kindes beziehen, auf seine emotionale und soziale Intelligenz, seine musischen, künstlerischen Begabungen oder seine Sportlichkeit. Es gilt also, die Begabungen der Kinder durch wertfreie und wertschätzende Beobachtung und die Nutzung verschiedener Diagnosemöglichkeiten zu entdecken und sie zu stärken.

Förderkreislauf

Dazu haben wir einen Förderkreislauf entwickelt, der in dem Moment beginnt, da ein Kind in die OSW eingeschult wird.

Zu Beginn des 5. Schuljahres, nachdem die Kinder zwei Wochen an der Schule sind, fährt der gesamte Jahrgang auf Klassenfahrt auf den Eisenberg. Dort wohnen die Klassen mit den jeweiligen Partnerklassen in einem Gehöft und verbringen fünf Tage zusammen. Die Klassen unternehmen jeweils auch zwei Aktionen mit den Schulsozialarbeitern, die Klassenlehrer beobachten dabei die soziale und emotionale Interaktion der Kinder. Hier entstehen erste Bilder der Leistungsfähigkeit und der Begabungen auf den genannten Sektoren. Auch die Schulsozialarbeiter bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen in diese Beobachtungsprozess mit ein.

Nach der Klassenfahrt finden die ersten Diagnoseverfahren in den Fächern Deutsch und Mathematik statt. Die Kinder erhalten nach der Auswertung der kognitiv orientierten Tests Übungsmaterialien, die auf ihren Bedarf zugeschnitten sind. Zeigt sich hier beispielsweise schon eine besondere Begabung im Schreiben, Lesen oder im Lösen anspruchsvoller mathematischer Aufgaben, besprechen die Lehrer das mit den Kindern und eröffnen ihnen neue Aufgabenfelder.

Nach den Herbstferien, also wiederum zwei Wochen später, erfolgt dann die erste von zwei Hospitationsrunden der Pädagogischen Leiterin gemeinsam mit den Schulsozialarbeitern und einer Kollegin, die eine Zusatzausbildung in Motologie hat. Jeweils eine Woche lang werden die Kinder im Unterricht und im gesamten Tagesablauf beobachtet. Am Ende der Woche erfolgt eine dreistündige Konferenz, an der alle unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer und das Hospitationsteam teilnehmen. Dabei wird über jedes Kind gesprochen und die Kinder, die durch besondere Leistungen in den anfangs beschriebenen Bereichen aufgefallen sind, erhalten einen dezidierten Förderplan, der mit den Eltern im Anschluss besprochen wird.

In diesem Gespräch stimmen sich Eltern, Lehrer und Kinder ab, welche zusätzlichen schulischen oder außerschulischen Maßnahmen das Kind erhalten soll. Dies kann von der Bereitstellung zusätzlicher Materialien über das Anraten von Zusatzangeboten der Schule bis hin zu solchen anderer Institutionen reichen (Kinderuniversität, Musikschulen, Theaterwerkstätten, Schülerforschungszentrum Nordhessen, etc.). Die Schulleitung kann auch die Möglichkeit eröffnen, partiell am Unterricht eines höheren Jahrgangs teilzunehmen (Drehtürmodell). Grundlage aller Maßnahmen ist dabei immer das Prinzip, individuelle Möglichkeiten für das individuelle Kind zu finden.

In einer zweiten Hospitationsrunde nach den Osterferien werden erste Erfahrungen mit den Fördermaßnahmen besprochen und diese weitergeführt oder erweitert. Am Schuljahresende erfolgt wieder ein dezidiertes Gespräch mit den Eltern und dem Kind (SchEL-Gespräche), um gemeinsam nächste Schritte zu planen. Da die Eltern die Klassenlehrer schon gut von den im Laufe des fünften Schuljahres erfolgten Hausbesuche kennen, ist es möglich offen und entspannt über die Bedarfe der Kinder zu sprechen, kritische Bereiche anzumerken und Verantwortlichkeiten zu klären.

Weiterführung und Ausbau der Maßnahmen

Die gesamte Schulzeit an der OSW über erfolgen diese Gespräche zweimal im Jahr, im Bedarfsfall auch öfter. Wichtig dabei ist, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die das Kind und später den Jugendlichen unterrichten und begleiten, über die Maßnahmen informiert sind und in den Förderplankonferenzen und auf den Teamsitzungen über die Entwicklung des jungen Menschen reden können.

Die Arbeit im Team ermöglicht den individuellen Ansatz der Begabtenförderung, da jeder Kollege, jede Kollegin Ansprechpartner ist und ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Offenheit den Schulalltag prägt. Diese Schulkultur, die Kooperation mit schulischen und außerschulisch tätigen Menschen und Institutionen, die Bereitstellung von Ressourcen und die individuelle Förderung, bilden die Grundlage der Arbeit für die besonders begabten Kinder und Jugendlichen an der OSW.

Grundlagen im Detail

Förderung in Unterricht und Schule
  • Binnendifferenzierung in allen Fächern
  • individualisierte Methoden und Aufgabenstellungen
  • Individuelles Lernen in Vorhaben (im Fach Freies Lernen)
  • adäquates Zusatzmaterial
  • Recherche – Präsentation – Feedback als Lernkultur
  • Drehtür-Modell im Konzept der OSW eingebunden
  • Rückmeldung über den Wochenarbeitsplan und den Kalender
  • Offenes Labor
  • regelmäßige Gespräche mit Eltern und Schülern
  • Förderkreislauf
  • Förderplankonferenzen
  • Wahlpflichtkurs ″Soziales Engagement″
Förderung über den schulischen Rahmen hinaus
  • Wettbewerbsteilnahme
  • Helle Köpfe
  • Comenius Projekte
  • außerschulische Lernorte (Kinderuniversität, Sozialpraktikum, etc.)

Kooperationspartner

Schulpsychologischer Dienst des SSA Kassel (Feststellung Hochbegabung), Kinderarztpraxen (Feststellung Hochbegabung), Daimler Benz: TecToYou-Messe; First Lego League, Physik Club Kassel, The Big Challenge

HKM, Herr Diehl (siehe auch: Hochbegabtenförderung in der Region Nordhessen, Heft 12/2012), Ev. Kirchengemeinde Waldau, Bildungsregion Waldau

Martina Moritz