Wenn Kopf und Bau zusammenkommen: Ein Bericht von der Schulbaukonferenz 2025

Von Pascal Berkenheger, Schulleiter
Stuttgart, 2025 – Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Ist es ein Gebäude mit viel Glas und Holz? Oder ist es vor allem eine neue Art des Denkens? Auf der diesjährigen Schulbaukonferenz der Montag Stiftung in Stuttgart wurde schnell klar: Es muss beides sein. Für unsere Schule waren Tanja Seibel, Ole Engel und Hilda Angersbach vor Ort, um unter dem Titel „Ich bau meine Schule mit“ die Perspektive derer einzubringen, um die es eigentlich geht: die Schülerinnen und Schüler.
Die Experten der eigenen Zukunft
Es war beeindruckend zu sehen, wie pointiert und zielgerichtet unsere Schüler ihre Wünsche und Visionen vertraten. Hilda Angersbach (15) aus dem 10. Jahrgang und Ole Engel (11) aus dem 6. Jahrgang vertraten nicht nur sich selbst, sondern als Schülervertretung eine ganze Generation. Sie machten deutlich: Junge Menschen wollen keine passiven Konsumenten von Bildung in „hübschen“ neuen Räumen sein. Sie wollen gestalten. Ole, der besonders die Freiräume im „Freien Lernen“ schätzt, und Hilda, die den Blick für das große Ganze hat, zeigten auf der Bühne, dass Partizipation keine Floskel ist, sondern der Treibstoff für echte Schulentwicklung.
Dänische „Naivität“ trifft Kasseler Realität
Im Zentrum der Diskussionen stand unser Neubau der Offenen Schule Waldau (OSW), der als Pilotprojekt der Initiative „Schulbau Open Source“ deutschlandweit Beachtung findet. Architekt Julian Weyer vom Kopenhagener Büro C.F. Møller brachte es auf den Punkt: Wir brauchen eine gewisse „dänische Naivität“, um starre deutsche Normen zu hinterfragen.
Unser Neubau wird kein klassisches Schulgebäude mit langen Fluren, sondern ein „Stadtteilhaus“. Das Konzept verzichtet auf Zäune und integriert sich mit einer grünen Dachlandschaft in den Stadtteil und das Naturschutzgebiet. Tanja Seibel, die als Stufenleitung den Prozess seit der „Phase 0“ maßgeblich mitsteuert, betonte in ihrem Beitrag, wie wichtig dieser partizipative Vorlauf war. Wir bauen nicht einfach Räume, wir schaffen „Luft zum Atmen“ für Kinder, die zu Hause oft beengt leben. Das architektonische Konzept der „Cluster“ statt isolierter Klassenzimmer und der innovative Brandschutz – der fast ohne sichtbare Barrieren auskommt – sind die baulichen Antworten auf unser pädagogisches Credo: Beziehung vor Erziehung.
Architektur der Haltung
Besonders nachhaltig beeindruckt hat mich jedoch die Verbindung unseres Bauvorhabens mit dem Vortrag von Frau Prof. Dr. Uta Hauck-Thum von der LMU München. Sie warnte eindringlich vor einer „Illusion der bunten Wände“. Ein modernes Gebäude nützt nichts, wenn wir die „Tafel im Kopf“ nicht abbauen. Ihr Beispiel vom „Grünen Klassenzimmer“, in das am Ende doch nur eine Tafel getragen wird, damit alle wieder in Reihen sitzen, war ein augenöffnender Moment für alle Anwesenden.
Hauck-Thum skizzierte, dass echte Innovation im Fundament unserer Haltung beginnt. Das Gehirn ist ein „Gewohnheitstier“; ohne bewusste Veränderung der Lernkultur fallen wir auch in den modernsten Räumen in alte Muster (Frontalunterricht, reine Wissensabfrage) zurück. Genau hier greift unser Ansatz der OSW: Bei uns kommen „Kopf und Bau“ zusammen. Wir warten nicht auf das Gebäude, um Schule neu zu denken, sondern das Gebäude wächst aus unserer veränderten Lernkultur heraus.
Unser Weg: Vom Digital Divide zur Co-Kreativität
Ein weiterer wichtiger Aspekt war der Umgang mit Digitalität. Es reicht nicht, Tablets auszuteilen (Hardware), wenn sich die Art der Aufgaben nicht ändert (Haltung). Unsere Schüler wollen nicht von Algorithmen gesteuert werden, sondern verstehen, wie man Probleme löst. Der Neubau wird uns hierfür die nötigen funktionalen Räume bieten – keine sterilen Computerkabinette, sondern Maker-Spaces und offene Lernlandschaften, die Kooperation und Kreativität fördern.
Fazit
Der Besuch in Stuttgart hat bestätigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Die OSW baut nicht nur ein Haus aus Holz und Glas, sondern einen Lebensraum, der pädagogische Freiheit atmet. Dank engagierter Kollegen wie Tanja Seibel und starken Schülerstimmen wie Ole und Hilda wird bei uns Architektur zum pädagogischen Ermöglicher. Wir bauen Zukunft – im Kopf und aus Holz.







